„Wir müssen und dürfen unsere Ziele anpassen“

FRITZY KROMP IM JAHRESABSCHLUSSINTERVIEW

27.12.25 von Fiona John | 5 Min

Fritzy Kromp lächelnd auf dem Trainingsplatz im weißen Oberteil. Im Vordergrund ist unscharf eine Spielerin zu sehen, die Kromp anschaut.

Das erste Mal in Norddeutschland, das erste Mal Bundesliga, das erste Mal Werder: Ein aufregendes Jahr liegt hinter Fritzy Kromp. Nach Stationen beim DFB und Eintracht Frankfurt zog es die 40-Jährige im Sommer an die Weser. Wie sie die Zeit als Cheftrainerin der WERDERFRAUEN erlebt hat, welche Hürden, Erfahrungen und Highlights es gab und was sich die Fußball-Lehrerin für das kommende Jahr wünscht, verriet Kromp im Interview mit WERDER.DE:

WERDER.DE: Moin, Fritzy! Bei dir gab es in diesem Jahr viele persönliche Veränderungen. Raus aus dem Süden, das erste Mal an der Seitenlinie in der Bundesliga. Wie geht’s dir aktuell und wie bist du mittlerweile in Bremen angekommen?

Fritzy Kromp: Mir geht es sehr gut hier, weil ich von der Mannschaft und allen hier im Verein sehr gut aufgenommen wurde. Aber auch Drumherum habe ich den Eindruck, dass die Menschen offen und begeisterungsfähig sind und uns unterstützen wollen. Das macht das Arbeiten noch schöner. Ich bin sehr happy und freue mich über die privilegierte Situation, dass ich Trainerin sein darf. Daher schaue ich auf ein sehr schönes erstes halbes Jahr hier zurück.

WERDER.DE: Mit welchem Gefühl blickst du auf das Jahr bzw. deine Amtszeit bei Werder?

Fritzy Kromp: Mit einem absolut positiven Gefühl. Es war sehr viel Aufregendes dabei, sehr viel Neues. Neues ist immer spannend, aber auch energiezehrend. Aber es war viel geprägt durch die Aufbruchsstimmung, die wir mit der Mannschaft gespürt haben. Es war viel Neugierde dabei: Wie arbeiten wir? Wie gut sind wir eigentlich? Und wie erfolgreich können wir sein mit der Mannschaft?

WERDER.DE: Auf die Aufbruchsstimmung blicken wir gleich, bleiben wir noch einmal kurz bei dir: Du hast in deiner ersten Pressekonferenz hier gesagt, du bist die klassische Nachwuchstrainerin. Wie hast du dich in den letzten Monaten entwickelt?

Fritzy Kromp: Gute Frage. Es wird zwischen den Jahren jetzt ein bisschen Zeit sein zu reflektieren. Im Moment ist man durchgerannt und ist sich über die eigene Entwicklung gar nicht klar. Für mich war es ein guter und spannender Schritt zu sehen, wie es ist, mit erwachsenen und gestandenen Persönlichkeiten zu arbeiten. Spielerinnen, die teilweise über 150 Bundesliga-Spiele haben, für verschiedene Nationen spielen und auch schon ganz viele Trainer erlebt haben. Darauf habe ich mich gefreut und bereue es überhaupt nicht. Im Gegenteil: Es macht sehr viel Spaß. Auch weil die Spielerinnen so besonders sind und mir gegenüber sehr offen. Ich hatte das Gefühl, sie nehmen einen gerne mit und haben wiederum das Gefühl, dass sie mitgenommen werden. Das passt gut zusammen.

Fritzy Kromp, Michaela Specht und Björn Bremermann laufen über den Rasen und sprechen miteinander. Im Hintergrund ist eine pinke Werderbande zu sehen.
Die Neuen im Trainerteam: Fritzy Kromp, Michaela Specht und Björn Bremermann (Foto: hansepixx).

WERDER.DE: Im Sommer hat sich bei Werder vieles verändert, neben dir und deinem Trainerteam gab es auch im Kader viele neue Gesichter. Inwiefern war das am Anfang erschwerend oder hat der frische Wind sogar geholfen?

Fritzy Kromp: Es ist immer vorteilhaft, eine gute Mischung zu haben und nicht alles auf Reset zu setzen. In unserem Trainerteam war einzig Hendrik Lemke schon dabei. Es ist total wichtig so jemanden zu haben, um uns Neuen ein bisschen Starthilfe zu geben. Der weiß, wer die Ansprechpartner sind. Genauso haben wir im Staff viele Konstanten, die uns viel helfen konnten. Im Kader haben wir feste Größen, wie unsere Kapitänin Lina Hausicke, die hier schon viel erlebt und erreicht hat. Dann Rückkehrerin und Urgestein Michelle Ulbrich, die den Verein so gut kennt, wie kaum eine andere. Wir haben aber auch ein paar neue Gesichter dabei, die eine Auffrischung reinbringen und der Mannschaft guttun.

WERDER.DE: Hättest du dir bei deinem Amtsantritt vorstellen können, dass es direkt so erfolgreich läuft? Schließlich habt ihr kein Heimspiel verloren, überwintert auf Rang drei und steht im Pokal-Viertelfinale.

Fritzy Kromp: Um ehrlich zu sein, man hat es sich erhofft und ein Stück weit davon geträumt. Mir war bewusst, dass mit der Mannschaft viel möglich ist. Einige große Fragen waren: Wie schnell kommen wir klar? Wie schnell greifen die Rädchen ineinander? Sowohl im Trainer- und Staffteam als auch in der Mannschaft. Und natürlich die wichtigste Frage: Bleiben alle gesund? Kommen alle mit der Steuerung und der Umstellung klar, dass wir häufiger, länger und intensiver trainieren und sie abseits des Platzes mit vielen Sitzungen beanspruchen. Das waren die Spielerinnen vorher in dieser Form nicht gewohnt. Deshalb war ich zurückhaltend mit dieser Hoffnung, weil ich dachte, man braucht dafür Zeit. Ich bin positiv überrascht und umso glücklicher, dass es so schnell so gut ging und bin stolz auf das, was die Mannschaft erreicht hat.

"Es gibt keinen Zufall und es gibt auch kein Glück."

WERDER.DE: Du sprichst die Zahnrädchen und Veränderungen an. Was ist aus deiner Sicht der Schlüssel für den Erfolg?

Fritzy Kromp: Der Schlüssel sind ganz allein die Spielerinnen. Was sie leisten, gerade unsere Stammspielerinnen, die wirklich viele Minuten in den Beinen haben, ist außergewöhnlich. Es ist ein wahnsinniges Programm, wir haben pro Runde zwei Spiele mehr als in der vergangenen Saison. Das ist mit Englischen Wochen verbunden. Zumal haben wir noch Einige, die in den Pausen für ihre Nationalmannschaften unterwegs sind. Wir sind froh, dass wir uns als Team so schnell gefunden haben und die Zusammenarbeit gut läuft. Wir einen guten Drive in der Mannschaft haben und die Spielerinnen mental auf den Weg gebracht haben, dass wir die vielen 50:50-Spiele immer überzeugend auf unsere Seite ziehen konnten. Wir haben gefährliche und schwierige Herausforderungen in Essen und Jena gehabt, die eigentlich nur Top-Mannschaften wie Bayern und Wolfsburg meistern. Dazu haben wir bisher nicht gehört. Unsere Bilanz zeigt aber, dass wir uns mit unserer Performance Stand jetzt bei diesen Teams einordnen können. Das ist toll und macht extrem stolz. Es ist die Mannschaft, unser Weg, unsere Überzeugung und unsere mentale Stärke. 

WERDER.DE: Neben den sportlichen Stärken gehört auch immer etwas Spielglück dazu. Wie ist es euch gelungen, das gleich mehrfach in dieser Saison auf eure Seite zu ziehen?

Fritzy Kromp: Wir haben es den Spielerinnen immer wieder gesagt: Es gibt keinen Zufall und es gibt auch kein Glück. Klar, spricht man vom Spielglück, aber man spricht auch vom Glück des Tüchtigen. Von demjenigen, der es ein Stück weit mehr will, der die Überzeugung hat, das Vertrauen in seine Fähigkeiten, aber auch in die Fähigkeiten der Mannschaft und ins Team ums Team. Der weiß, dass auch von der Bank immer wieder Energie kommt, von uns Trainern im besten Fall. Mit guten Hinweisen, mit guter Einstellung, mit guter Vorbereitung auf jedes einzelne Spiel. Und natürlich mit einem guten Matchplan, guten Anpassungen und guten Veränderungen. Die 50:50-Spiele waren zu gewissen Phasen im Spielverlauf offen. Im Nachgang betrachtet waren wir aber immer die Mannschaft, die es mehr erzwungen hat und mehr wollte und dann als vielleicht glücklicher und knapper, aber verdienter Sieger vom Platz gegangen ist. Das ist eine Qualität, auf die wir sehr stolz sind. Das spricht für ein Gewinner-Gen, was wir mittlerweile in den Köpfen der Spielerinnen haben und auch die Überzeugung und das Bewusstsein, dass sie extrem gut abliefern können und zurecht dort stehen, wo sie stehen.

WERDER.DE: Welches war dein emotionales Werder-Highlight 2025?

Fritzy Kromp: Davon gab es viele, es ist ganz schwer eins rauszugreifen. Natürlich ist unser Highlightspiel im Weserstadion gegen den HSV zu nennen. Das war schon sehr beeindruckend vor dieser Kulisse an der Linie zu stehen und mit den Fans feiern zu dürfen. Dann denke ich total gerne an das Spiel in Essen zurück, weil da viele Widerstände auf uns zukamen und wir es als Mannschaft geschafft haben, dieses Spiel zu gewinnen. Das war ein Knackpunkt in der Saison, weil wir gesehen haben, so schnell sind wir nicht aus der Spur zu bringen. Unsere Mannschaftsleistung war beindruckend, genauso wie die Leistung unserer Kapitäninnen. Lina und Mitch sind vorangegangen, haben wirklich herausragend gespielt und eine mentale Stärke reingebracht. Nicht zu vergessen sind natürlich unsere Siegtreffer gegen Hoffenheim und Leipzig - Emökes Golden Goals. Es war immer mit dem Tor ein emotionaler Ausbruch kurz vor Abpfiff. Das sind die markantesten Spiele.

WERDER.DE: Es gibt immer das Potential sich zu verbessern. Was könnt ihr in der Rückrunde noch besser machen?

Fritzy Kromp: Erstmal wollen wir die kurze Pause gut nutzen, um die Akkus wieder aufzuladen, um mental wieder aufzuladen. Dann geht es im Januar relativ schnell weiter. Da ist die Kunst, dass du wieder eine gewisse Frische und Gier hast und die kurze Vorbereitung gut nutzt. Wir wollen weiter an Stabilität gewinnen und an den Details in unserer Spielfähigkeit arbeiten. Wir können sehr zufrieden mit unserem Pressing sein, das war schon sehr häufig der Schlüssel, dem Gegner die Spielfreude zu nehmen. Damit haben wir besonders die spielstarken Mannschaften vor Herausforderungen gestellt. In der Spieleröffnung und im Spielaufbau haben wir schon gute Steps gemacht. Jetzt geht es in die nächsten Ebenen, dass das Übergangsspiel und das Spiel ins letzte Drittel noch griffiger werden.

WERDER.DE: Man setzt sich als Mannschaft vor der Saison ja klassischerweise Ziele, jetzt geht ihr auf Rang drei in die Winterpause. Übertrifft das die Erwartungen und ändert es was, an den Zielen bis zum Saisonende?

Fritzy Kromp: Zwangsläufig müssen und dürfen wir unsere Ziele anpassen. Nichts ist schöner, als dass man seine gesteckten Ziele, die durchaus realistisch und ambitioniert waren, schon sehr früh erreicht. Nicht alle Ziele sind komplett erreicht worden, aber viele eben schon zu einem frühen Zeitpunkt der Saison. Das hatte zur Folge, dass wir mit unserer Teampsychologin nochmal Ziele explizit für die letzten drei Spiele in diesem Jahr formuliert haben. Auch da ist die Mannschaft wieder sehr schnell gewesen und hat nach zwei Spielen wieder drei von vier Zielen erreicht. Das heißt, dass wir uns im neuen Jahr wieder zusammensetzen und in einem Teamworkshop die Ziele nicht komplett neu, aber anpassend formulieren werden, um wieder mit ambitionierten und anspruchsvollen Zielen in die Rückrunde zu starten.

WERDER.DE: Wenn du einen Wunsch frei hättest für das neue Jahr, welcher wäre das?

Fritzy Kromp: Gesundheit steht immer über allem, das kann man sich nicht zu häufig wünschen. Natürlich für einen selbst und die Liebsten, aber natürlich auch für die Mannschaft. Man hofft immer, dass man Trainingswochen mit möglichst wenig Verletzungen übersteht. Wir haben mit Tuana Mahmoud einen wirklich großen, schwerwiegenden und dramatischen Ausfall, aber sonst im Verlauf in der Zusammenarbeit seit Juli keine weitere schwere Verletzung erleben müssen. Das ist eine außergewöhnlich gute Bilanz. Da sind wir stolz drauf, denn ich glaube, auch das ist kein Glück. Das haben wir den Spielerinnen auch gesagt, dass wir sie dafür loben und anerkennen. In erster Linie ist es nämlich ihre Fürsorge mit ihrem Körper, aber ein Stück weit sicher auch unsere Steuerung und individuelle Betreuung. Für die Zukunft wünscht man sich, dass das so bleibt und im besten Fall alle gesund bleiben.

WERDER.DE: Wir wünschen dir, dass all diese Wünsche in Erfüllung gehen. Vielen Dank für das Interview! Bis nächstes Jahr!

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